Zornhau Seminar in Australien, „Jungk Ritter lere“ mit Jens Peter KleinauSa, 23.09.2017

Bereits im Juli diesen Jahres war unser Trainer Jens Peter dem Aufruf gefolgt, seine Sicht unserer Kunst in Australien zu unterrichten.
Nun sind wir auch dazu gekommen, seine Erfahrungen in einen Artikel zu gießen, der im folgenden mit seinen Worten wiedergegeben wird:

Seit dem ich aus dem Schatten meiner Zornhau-Lehrmeister getreten bin und selber Historische Fechtkunst unterrichte, erhalte ich Einladungen auf Veranstaltungen oder privat zu unterrichten. Viele muss ich leider ablehnen, da ich einem normalen Beruf nachgehe und meine Familie bevorzuge. Frankreich, Italien, Schweiz, Belgien, Spanien gehören zu meinen bisherigen Zielen. Alles bisher in einem vertretbaren Rahmen. Doch als mich die Einladung erreichte, in einem fernen Kontinent wie Australien zu unterrichten, wurde ich etwas nervös.

Die schiere Entfernung von etlichen Flugstunden (es wurden 32h ohne Schlaf), das völlig unbekannte Land unwissend, welches Niveau von Fechterei mich dort erwartet, sprengen die Routine völlig. So kam es auch erwartungsmäßig zu einigen chaotischen Entwicklungen, die mich einen Monat lang im Zick-Zack über den Kontinent jagten. Und hier ist der Bericht dazu.

Hans Talhoffer begeistert mich durch seine hohe Kunst des Fechtens. Seine Bücher enthalten verschiedene Waffengattungen. Wie keiner sonst vermittelt er eine durchgehende Lehre, basierend auf Johannes Liechtenauer und uns unbekannte Meister. Daher wählte ich seine Fechtbücher um ein zwei bis vier Tage Seminar zu gestalten, dass ich „Jungk Ritter lere“ taufte. Dieses vermittelt die immer gleichen Prinzipien der Fünf Worte „stark/schwach, indes, vor/nach“ in verschiedenen Stücken mit verschiedenen Waffen und auch waffenlos. Ich verfasste ein dickes Handbuch und packte. Die Reise konnte beginnen.

Perth ist, wie viel Australische Städte extrem weitläufig, eine längere Fahrt mit dem Auto zum Trainingsgelände gehört dazu. Der Name des Fechtclubs lautet „Dark Sun“ und stammt ursprünglich aus der SCA-Szene (Society for Creative Anachronism). Eine Mischung aus Fantasy und Mittelalter, in der sich die Mitglieder mit Rattansäbeln (genauer Korbschläger) und Rapieren duellieren und Turniere ausfechten. Der Wandel zu einem Ort der Historischen Fechtkunst hat gerade erst begonnen. Daher ist die Gruppe sehr gemischt. Es sind SCA Fechter und HEMA-Neulinge dabei. Etwa ein Dutzend Teilnehmer beginnen am Samstag mit Dolch und Langes Schwert. Besonders intensiv am Dolch arbeitete ein Teilnehmer, der sich als ehemaliges Mitglied der Armee-Spezialkräfte entpuppte. Für mich gut zu erfahren, dass auch ein modernr Spezialist mit mittelalterlichen Dolch gut gefordert wird. Sonntag waren es deutlich weniger Teilnehmer. Grund war leider, dass meine Ansprüche an die körperliche Leistungsfähigkeit (angefangen mit anstrengendem Yoga zum Aufwärmen und Mobilisieren) etwas zu hoch angesetzt waren. Der Armee-Kämpfer war noch mit dabei, also weiter gings mit Langem Messer und Schwert und Buckler. Mit letzterem waren dann doch einige überfordert. Zwei Waffen koordiniert und gleichzeitig einsetzen ist recht knifflig.

Brisbane. Etwas wärmer im Australischen Winter als Perth. Hier sind gleich mehrere Fechtclubs angesiedelt. Der Trainingsplatz war im überdachten Freien. Das ist nicht selten in Australien. Doch dieser war in der Nähe einer S-Bahn Station. Nach einem Anbrüllen gegen den Zugverkehr am Samstag, wußte ich am Sonntag meine Lehrstücke so einzuteilen, dass ich immer dann zum „Vorführen und Erzählen“ rief, wenn der Zug gerade weggefahren war. In Brisbane tausche ich den Speer gegen den Dolch. Dank des Geländes konnten die Teilnehmer am „Schießen“ des Speers sich erfreuen. Den weitesten Wurf erzielte ein Schwede, der nach 16 Jahren hartem Kung-Fu Training sich nun nach Europäischer Kampfkunst in Australien umschaut. Am Samstag stand dann noch Langes Schwert, am Sonntag Langes Messer und Schwert und Buckler auf dem Programm. Eine Besonderheit war das King-Of-The-Hill Turnier, dass ich am Samstag nach dem Lehrprogramm organisierte. Diese Form besagt, dass man den König herausfordert. Gewinnt man den Kampf (ein bis zwei Treffer genügen), dann wird man selbst zum König. Der besondere Spaß war, dass die Waffe mit der ein Herausforderer eintritt, ausgewürfelt wurde. Der König behielt seine Waffe, der Herausforder erhielt entweder Dolch, Langes Messer, Schwert und Buckler, Langes Schwert oder Speer. Schnell stellte sich heraus, dass der Speer allen anderen Waffen überlegen war. Für mich war ein besonderes Vergnügen noch ein Sparring mit zwei Dussaken gegen den Schweden, der auf Basis von Kung-Fu Doppelschwert arbeitete. Als Zugabe gab es dann am folgenden Montag noch einen Crash-Kurs in Schwert und Buckler von Liegnitzer. Wo ich doch schon mal da war…

Melbourne. Die riesige Metropole im Süden Australiens erhiehlt zwei Wochenendseminare von mir. Daher konnte ich noch „Ringen“ zu den Wehren hinzufügen. Während in Brisbane es mehr als zwei Dutzend Teilnehmer waren, waren es in Melbourne am ersten Wochenende etwa 20 am zweiten nur noch 12. Das war vorher schon klar, da der Juli dort der aktivste Monat bezüglich Veranstaltungen war und sich kaum noch jemand das Wochenende frei nehmen konnte. Trotzdem wollten wir den Plan beibehalten, denn die Trainer der drei Fechtschulen waren anwesend. Und die waren das eigentliche Zielpublikum. Auch hier veranstaltete ich das Turnier mit den ausgewürfelten Waffen zur allgemeinen Belustigung. Es wird angeblich in die Tradition der Veranstaltungen aufgenommen. Mal sehen, schließlich ist es nicht tauglich für das Ranking der Turnierfechter Australiens, das seit diesem Jahr geführt wird. In Melbourne besuchte ich auch zwei reguläre Unterrichtseinheiten. Ich war sehr angetan von der Nähe zu den Quellen, die trotz Sprachbarriere vorgebracht wurde.

Eine Zusammenfassung dieser Reise mit den unterschiedlichen Eindrücken fällt mir schwer. Vom fechterischen Standpunkt haben die Australier ein gutes Niveau und zeichnen sich dadurch aus, dass sie in jeder Hinsicht nach Qualität streben. Somit waren sie sogar dankbar für die hohen Ansprüche, die ich an sie stellte. Das ist durchaus beeindruckend und wird dafür sorgen, dass diese Fechter auch international Aufmerksamkeit erringen werden.

Die enorme Freundlichkeit und Gastlichkeit ist vorbildlich. Somit kann ich jedem empfehlen, den Besuch des entfernten Kontinents mit einem Besuch eines Historischen Fechtclubs zu verbinden. Es lohnt sich wirklich.