Honhardts Stahl – Zornhau studiert zum dritten Mal historische BlankwaffenMo, 11.11.2013

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Fast beiläufig klingt die Ankündigung auf der letzten Jahreshauptversammlung: „Wir planen für das kommende Jahr eine weitere Exkursion zu Herrn Fricker.“ Gemischt fallen die Reaktionen aus. Manche, die noch recht neu im Verein sind, schauen eher fragend, bei anderen, vor allem denen, die schon einmal dabei waren, ziehen Bilder vor dem geistigen Auge auf, die gespannte Erwartung erzeugen. Der Name Fricker steht für eine hochwertige Sammlung vornehmlich alter Waffen und Rüstungen, untergebracht in einem schönen historischen Gebäude, das für sich schon Staunen und Anflüge von Neid bei Liebhabern hervorruft.

Und ewig lockt die Klinge…

In Hohnhardt gibt es eine Besonderheit, die für uns ganz speziell interessant ist. Im Gegensatz zu den sonst eher musealen Sammlungen, bei denen die handwerkliche Pracht hinter Glas gesichert auf Distanz präsentiert wird, stehen die Stücke bei Fricker sämtlich zum Verkauf und sind daher nicht nur den Augen, sondenr auch den Händen zugänglich. Anfassen und -für usn als Fechter- in brenztem Maße sogar Ausprobieren ist erlaubt! Herr Fricker ist nicht nur Sammler und ein evreidigter Sachverständiger für historische Waffen, sondern auch von Beruf Händler mit eben diesen Stücken. Was sonst nur seinen zahlenden Kunden vorbehalten ist, die heiligen Hallen zu betreten, Schwerter, Messer, Halmbarten und andere Zeugnisse vergangener Kriegskunst von der Wand und aus Vitrinen in die – behandschuhte – Hand zu nehmen, steht nun zum dritten Mal einer kleinen Gruppe von Zornhauern frei.

Während die üblichen Kunden sich für den Sammelwert eines Stückes interessieren, kommt es uns auf die technischen Details an. Wir wollen die Waffen vermessen, Gewicht, Länge, Form und viele weitere Details in Tabellen erfassen und fotografisch festhalten. Sinn dieser Arbeit ist es, historischen Fechtern und Herstellern von Waffenrepliken Werte in die Hand zu geben, mit denen sie ihre Trainingsgeräte optimieren können. Schon heute gibt es eine nicht kleine Zahl von Stücken in der Szene, die sehr eng an den Datenblättern der ersten beiden Exkursionen angelehnt sind. Ende August ist es dann so weit.

Zu Gast beim Schlossherrn

Ein Team von 10 Personen hat sich gefunden, um die drei Gruppen für Schwert, Messer und Stangenwaffen zu bilden, dazu das Fototeam, das alle Waffen auf Maßpapier ablichten soll. Torsten Schneyer, der Organisator der Aktion, begleitet das alles mit seiner Filmkamera (siehe Youtube-Doku). Zu Beginn steht aber die Erkenntnis, daß Herr Fricker umgezogen ist. Der hübsche alte Wehrturm in Dinkelsbühl, der bei unseren letzten Besuchen sein Domizil darstellte, war auf Dauer dann doch zu klein. Und ganz in mittelalterlicher Tradition, verbesserte man sich vom Wehrturm zur Burg, oder besser gesagt, zum Schloss. Die Tour geht also dieses Mal zum Schloß Honhardt in Frankenhardt. Es wäre jetzt einfach, sich in der Beschreibung des Schlosses, das selbst schon eine Perle ist, zu verlieren. Beschränken wir uns aber auf die Aussage: Nicht wenige Teilnehmer würden sofort selbst dort einziehen, böte man ihnen die Möglichkeit dazu. Sodann stürmt die wilde Horde gemessenen Schrittes die heiligen Hallen. Auf zwei Etagen reihen sich Rüstungen, Stangenwaffen, Schwerter, Messer, und diverse andere Schmuckstücke aneinander. Nicht alle, aber die Mehrheit davon aus dem kämpferischen Sektor.

Die Qual der Wahl

Nach einer ersten Orientierung organisieren sich die Teams und suchen sich die Objekte ihrer Neugierde heraus. Doch die Wahl fällt schwer. Was ist interessanter: mehr Varianten eines Modells, oder ein Überblick über verschiedene Typen? Die Auswahl ist zu groß, um auch nur ein Bruchteil der Stücke innerhalb des einen Tages zu schaffen. Soviel vorweg: sämtliche Gruppen kommen zu dem Entschluß, eine breite Auswahl zu bevorzugen.

Stangenmikado

Und diese hat es in sich, denn: Sechs verschiedene Stangenwaffen werden von der entsprechenden Gruppe untersucht, vom kurzen und wuchtigen Fußstreithammer bis zum langen im Vergleich schon fast filigranen Roßschinder. Alexander Klenner uns seine Mannen sind in ihrem Element und sieht sich vor unerwarteten Herausforderungen: Wie beschreibt man teils sehr kreative dreidimensionale Formgebung mit einfachen Worten? Wie erfasst man unterschiedliche Eigenschaften möglichst übersichtlich in einer Tabelle, und bitte wo ist „vorne“ (nicht „oben“) bei einem Fußstreithammer? Hat das gute Stück gerade wirklich die Waage überfordert? Interessant sind auch insbesondere die teils noch original bemalten Schäfte der Waffen, welche oft in heraldischen Farben lackiert waren.

Auf Messers Schneide

Fünf Messer gehen durch die Hände der „Messer-Gruppe“, vom frühen und somit vergleichsweise seltenen Malchus bis hin zum Großen Messer des 16. Jahrhunderts. Wieder einmal wird klar, daß die typologische Einteilung vor allem von Messern eine große Kunst ist: Scheinbar klassiche Lange Messer der Fechtertradition entpuppen sich dank weiterer Merkmale als Jagdwaffen oder man diskuttiert eine halbe Stunde lang darüber, ob das breite, reich verzierte Renaissance-Messer nun ein repräsentativer Dussack oder ein frühbarrocker Säbel sei.

Ein paar ketzerische Gedanken zu Schwertern

Vier Schwerter gesellen sich zu den bereits auf den vorherigen Exkursionen vermessenen Stücken: wunderschöne Einhänder, Lange Schwerter, sogar ein Pratspieß sind darunter. Man soll es nicht glauben: Aber gerade das Schwertfechten unterliegt in der HEMA-Szene seit einigen Jahren einem rapiden Wandel, obwohl diese Waffe eigentlich fechterisch am besten erforscht ist. Dies liegt vor allem an dem -eher im Ausland vorangetriebenen- Trend des Tunierfechtens mit Federn. Da immer mehr historische Fechter auf Tuniersiege hin trainieren, neigen sie dazu, das Federschwert nicht nur beim Freikampf („Sparring“) sondern auch im normalen Technik-Training und sogar für Videodemonstrationen zu verwenden. Meiner Ansicht nach führt diese einseitige Fokussierung auf extra leichte Federschwerter zu einem versportlichten, auf Geschwindigkeit getrimmten Fechtstils, welcher mit „echten“ Schwertern in dieser Form gar nicht mehr möglich wäre. Diese kontroverse Meinung sieht Torsten Schneyer durch seine Vermessung historischer Waffen ein weiteres mal bestätigt: Kein einziges von ihm jemals untersuchtes Langschwert erreicht das Längen/Gewichts-Verhältnis der modernen Sportfedern. Auch alle diesmal von uns vermessenen Waffen sind sim Durchschnitt schwerer als moderne Stahlsimulatoren.
Bei den Einhandschwertern verhällt es sich nicht anders: So wiegt z.B. unser (wohlgemerkt: sehr scharfer, spitzer und ob der Scharten offensichtlich auch verwendeter!) Castillon-Einhänder mit der Zornhau-Kennzeichnung ZEF-3-SW-1 fast 1700 Gramm. Das sind fast 400 Grammm mehr als eine zweihändige Hanwei-Feder! Dennoch entspricht diese Waffe sehr genau den propoertionen der im I33 abgebildeten Einhänder und ist dank ihrer Ausgewogenheit durchaus führig.
Natürlich sind mittelalterliche Schwerter trotzdem nicht die schweren Prügel aus den Ritterfilmen, sie sind führig und hoch funktional. Aber sie sind eben auch schwerer und dadurch „langsamer“, als mancher HEMA-Tunierfechter vielleicht glaubt.
Wir betonen noch einmal, daß das keine einzelnen Zufallsergebnisse, sondern um eine generelle Beobachtung handelt und überlassen es dem geneigten Leser, seine eigenen Schlussfolgerungen für sein Training zu ziehen!

Weiter geht’s

Was folgt, sind Stunden von Messungen, Fotos, Staunen, und nicht selten Überraschungen.  Zwischendurch gibt es noch kurze Video-Interviews mit einem Vertreter jedes Teams, welcher dann dabei auch ein, zwei seiner liebsten Stücke vorführt, das Ganze kaum gestört von den überal herumlaufenden Katzen des Gastgebers.Nach einigen, gefühlt zwar viel zu wenigen, aber nichtsdestotrotz anstrengen Stunden sind die Datenblätter und Fotografien für dieses Mal vollständig. Schnell werden noch ein paar Fotos von dem ein oder anderen interessanten Stück, das es trotzdem nicht in die detaillierte Erfassung geschafft hat, gemacht, dann packen wir zusammen und verabschieden und bedanken uns nochmals bei Herrn Fricker. Der Abend endet nach einem erstaunlich deliziösem Mahl in einer nahegelegen Kneipe in der Jugendherberge Schloss Rechenberg, ebenfalls ein interessantes historisches Gemäuer. Doch dies ist eine andere Geschichte, und am nächsten Tag kehrt Zornhau jedoch noch einmal zu einem ausführlichen Interview zurück. Diesmal gibt uns der Meister einen tiefen Einblick in sein Werk als Sammler und stellt uns einige ausgesuchte Waffen noch einmal im Detail vor.

Dokumentation und weiterführendes Material

Die eigentliche Arbeit begann jedoch erst nach der Heimreise. Unser Datenmaterial musste aufbereitet und ausgewertet werden, ein Prozess, der immer noch nicht ganz abgeschnitten ist. Wir beginnen mit der Veröffentlichung unserer Film-Dokumentation, in der wir Euch einen spannenden Eindruck über den Handel mit historischen Waffen und über unsere Dokumentationsarbeit geben wollen.

Außerdem starten wir eine Artikel-Serie, das „Original der Woche“, beginnend mit dem wunderschönen Schwert mti der Kennzeichnung „ZEF-3-SW1“ (das steht für „Zornhau-Exkursion 3, Schwert 1“). Regelmäßig werden wir einen Datensatz mit einem hochauflösenden Foto veröffentlichen. Wir wünschen euch viel Freude mit dem Material und dem Film.